"Arnold Rosé ist nicht bloß ein Wiener Meistergeiger oder d e r Wiener Geiger kurzweg, er ist der erste Quartett-Spieler der Zeit." (Julius Korngold)
Arnold Rosé war eine elegante Erscheinung, ein soignierter Herr, der aussah, wie Thomas Mann in seinem Tagebuch im Dezember 1919 über den 56-Jährigen vermerkte, wie ein "Medizinalrat".
Aber dieser Eindruck konservativer Bürgerlichkeit war nur die eine Seite des Musikers Rosé. Die andere war die des mutigen Vermittlers der Musik der Moderne, der unerschüttert in wahren Konzertsaalschlachten neue Kompositionen, unter anderem von Arnold Schönberg aufführte.
Mehr als ein halbes Jahrhundert lang stand Arnold Rosé im Zentrum des musikalischen Lebens in Wien. Rosés Name ist eng verknüpft mit den beiden bekanntesten Wiener Komponisten des beginnenden 20. Jahrhunderts, mit Gustav Mahler und mit Arnold Schönberg.
Arnold Rosé wurde am 24. Oktober 1863 in Jassy (im heutigen Rumänien) als Arnold Josef Rosenblum geboren. Nach dem Umzug der Familie nach Wien erhielten Arnold und seine drei Brüder Instrumentalunterricht, der ältere Bruder Eduard wurde Cellist.
Arnold war ein so begabter Geiger, dass er bereits mit 17 Jahren als Solist Karl Goldmarks Violinkonzert mit den Wiener Philharmonikern aufführte. Kurz darauf wurde er zunächst Mitglied des Hofopernorchesters, und dann Soloviolinist und Konzertmeister der Wiener Philharmoniker. Er änderte seinen Namen und nannte sich fortan Rosé.
"Der märchenhaft junge Konzertmeister wurde auch ein märchenhaft junger Quartettprimarius." (Julius Korngold)
Kaum zum Konzertmeister ernannt, gründete Arnold Rosé 1882 ein Streichquartett, das im Januar 1883 sein erstes Konzert gab. Neben Arnold Rosé, der in der langen Zeit, die das Quartett existierte, stets 1. Violine spielte, gehörte zur ersten Besetzung auch Arnolds älterer Bruder Eduard (Violoncello).
Schnell wurde das Rosé-Quartett zu einem der bekanntesten Streichquartette in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Es bestand 54 Jahre, von 1882 bis 1936. Nach der Emigration Rosés nach London wurde das Quartett 1939 wiederbelebt. Das letzte Konzert des Rosé-Quartetts fand 1945 statt. Arnold Rosé hat somit eindrucksvolle 60 Jahre als Geiger und Primarius gewirkt.
Arnold Schönberg am 9. Juni 1904 an Arnold Rosé:
"Hochverehrter Herr Concertmeister. Ich möchte Ihnen heute noch auf das Allerwärmste einen jungen, hochbegabten Componisten anempfehlen: Herr Dr. Carl Weigl, der sich erlauben wird, sich Ihnen vorzustellen. Derselbe hat ein Streichquartett von ganz außerordentlichen Qualitäten componiert, das er Ihnen gerne zur Aufführung überreichen möchte. Ich halte dasselbe sowohl der Erfindung nach, als auch der unglaublich ernsten und gediegenen Arbeit nach für eine entschieden starke Talentprobe und bin überzeugt, dass es auch Ihnen gefallen wird. Eine Aufführung würde sich sicher rechtfertigen und sehr lohnen. Dr. Weigl ist übrigens derzeit auch Correpetitor in der Hof-Oper, also Ihnen vielleicht von daher bekannt. Ich empfehle mich Ihnen auf das Beste mit vorzüglicher Hochachtung Arnold Schönberg." [Used by permission of Belmont Music Publishers, Los Angeles]
Der Komponistenkollege, den Schönberg so lobte, war der am 6. Februar 1881 in Wien geborene Karl Ignaz Weigl. Bereits mit 15 Jahren, noch als Schüler, erhielt der musikalisch begabte Weigl Kompositionsunterricht bei Alexander Zemlinsky.
Vokalkompositionen waren eine große Leidenschaft von Karl Weigl. In seinen ersten Jahren komponierte er hauptsächlich für Singstimmen und erreichte bereits 1904 mit "Ein Stelldichein" für hohe Stimme und Streichsextett einen stilistischen Höhepunkt. Die Textgrundlage ist das gleichnamige Gedicht von Richard Dehmel (1863-1920) aus seiner Sammlung "Weib und Welt".
Seine besondere Affinität zu Vokalkompositionen zeigt sich in Weigls ausführlichem Werkverzeichnis. Es finden sich dort Lieder für Solostimme und Klavier, A-cappella-Kompositionen, Lieder für Stimme und Streichinstrumente, Chorwerke und Orchesterstücke mit Gesang.
Eine der bekanntesten und neben "Ein Stelldichein" am häufigsten aufgeführten Kompositionen sind die "Fünf Lieder für Sopran und Streichquartett op. 40". Komponiert 1934, wurde das Werk zum ersten Mal bei einem Privatkonzert im März 1937 aufgeführt. Die erste öffentliche Aufführung fand am 5. November 1937 im Brahms-Saal in Wien statt.
Es sang die international berühmte Sopranistin Elisabeth Schumann, der noch 1937 die Flucht erst nach England, dann in die USA gelang. (Elisabeth Schumann starb 1952 in New York.)
Das Interesse an der Musik Karl Weigls ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Es gibt inzwischen Aufnahmen vieler Lieder, Streichquartette, Symphonien, des Violin- und des Klavierkonzertes.
Zu verdanken ist das auch den Bemühungen der Karl Weigl Foundation, die ihren Sitz in San Rafael in Kalifornien hat.
Zwei Jahre nach Karl Weigls Tod schrieben Freunde und Unterstützer im März 1951 einen offenen Brief, um an den 70. Geburtstag des Komponisten zu erinnern. Zu den Unterstützern gehörten der Klavierpädagoge Bruno Eisner, der Dirigent Kurt Adler, der Pianist Mieczyslav Horszowski, der österreichische Komponist und Musikpädagoge Eric Zeisl und viele andere.
1967 wurde der Karl Weigl Memorial Fund am Mannes College of Music gegründet. Zu den künstlerischen Beratern gehörten neben vielen anderen bedeutenden Musikern der Dirigent Kurt Adler, der Violinist Raphael Bronstein, Cellist Pablo Casals, Benar Heifetz (der langjährige Cellist des Kollisch-Quartetts), der Pianist Mieczyslow Horszowski, die Pianistin Lili Kraus, der Violinist Yehudi Menuhin, Maria Weigl Piers, Alfred Rosé (der Sohn von Arnold Rosé), der Pianist und Musiktheoretiker Charles Rosen, Frederica Schmitz-Svevo (die Schwägerin des Dichters Italo Svevo), der Violinist Zvi Zeitlin.
Später kamen die Dirigenten Leopold Stokowski und Ainslee Cox hinzu.
Die Liste der beratenden Mitglieder liest sich wie ein Who’s who der musikalischen Welt.
1999 wurde die Karl Weigl Foundation gegründet. Präsident ist der Enkel von Karl Weigl, Karl C. Weigl. Direktorin die Musikwissenschaftlerin Julie Brand.
Ziel der Foundation ist es, das Erbe der exilierten Komponisten Karl Weigl und Vally Weigl zu erhalten und Aufführungen ihrer Werke zu unterstützen. Darüber hinaus liegt die Aufmerksamkeit der Foundation auch auf den Werken und Lebensläufen anderer Komponisten, die während der Nazizeit verfolgt, unterdrückt und vertrieben wurden.
Im Bestand des Archivs sind:
Partituren, Entwürfe, Aufführungsmaterial, Aufnahmen. Eine große Auswahl an biographischem Originalmaterial, Dokumente, Briefe, Photographien. Veröffentlichungen, Bücher, Broschüren, Zeitungsartikel, Konzertprogramme, Kritiken.
Eine außerordentlich umfangreich gestaltete Website bietet jedem die Möglichkeit, detaillierte Informationen zu Karl Weigl und seinen Werken zu erhalten.
Website: http://www.karlweigl.org
Johannes Brahms, der seit 1862 in Wien lebte, zog sich im Sommer zur Erholung nach Ischl zurück, um dort zu komponieren.
So auch im Sommer 1890, in dem ein spätes Meisterwerk entstand. Zunächst, so der Brahmsfreund und Biograph Max Kalbeck, war da ein Motiv.
Dieses Eingangsmotiv hätte, so Kalbeck, "im Zusammenhange mit der gewaltig aufbrausenden Art seiner Einführung das Allegro einer Symphonie" sein können.
Es wurde aber ein Streichquintett in G-Dur, das zweite, das Brahms schrieb, nach dem ersten in F-Dur op. 88 von 1882.
Dass dieses Motiv ordentliches Potential in sich trug, wurde bei den Proben zur Uraufführung durch das Rosé-Quartett deutlich.
Der Wiener »k.k. Hof- und Kammerklaviermacher« Ludwig Bösendorfer war eine wichtige Persönlichkeit des Wiener Musik- und Kulturlebens. Ebenso wie Brahms verbrachte er seine Sommerfrische in Ischl.
Der Brahms-Freund und Biograph Max Kalbeck beschreibt Bösendorfer als einen "bürgerlichen altwiener Elegant mit glänzendem schwarzen »Stößer« und erdfarbenem Sakkopaletot, der im eigenhändig gelenkten Viererzuge von Wien nach Ischl kutschierte und Visitkarten für lästige Schwätzer in der Tasche bereit hielt, mit der in Kupfer gestochenen Aufschrift: »L.B. ist zu seiner Erholung in Ischl.«"
1872 hatte Bösendorfer im Wiener Palais Liechtenstein in der Herrengasse einen Konzertsaal eingerichtet, der wegen seiner herausragenden Akustik zu den besten Spielstätten der Stadt zählte.
Als der Bösendorfer-Saal im Jahr 1913 abgerissen werden sollte, waren die Wiener Musikliebhaber zutiefst schockiert.
Immerhin waren in diesem traditionsreichen Saal Komponisten und Musiker wie Anton Rubinstein, Franz Liszt, Eugen d’Albert, Johannes Brahms, Ernst v. Dohnány, Max Reger, Arthur Rubinstein, Béla Bartók, Edvard Grieg, Gustav Mahler und Richard Strauss aufgetreten.
Das Abschiedskonzert bestritt das Rosé-Quartett, das diesem Saal eng verbunden war. Denn seit ihrem ersten Konzert 1883 waren Arnold Rosé und seine Mitspieler meistens im Bösendorfer-Saal aufgetreten.
Der Schriftsteller Stefan Zweig (1881-1942) beschreibt in seiner autobiographischen Erinnerung "Die Welt von Gestern" dieses Konzert in Wien im Jahr 1913. Ein Jahr vor Beginn des 1. Weltkriegs erscheint sein Szenario als ein Sinnbild vom Ende einer Epoche.
Kennengelernt haben sie sich spätestens 1910, das Wunderkind und der Konzertmeister und Primarius.
Erich Wolfgang Korngold, geboren 1897 in Brünn, war nicht nur ein phänomenal begabter Pianist, er war auch, noch im Kindesalter, ein eigenständiger, kreativer Komponist. Als der Neunjährige Gustav Mahler eine eigene Komposition vorspielte, soll der ausgerufen haben: "Ein Genie!". Ähnlich beeindruckt war auch Richard Strauss.
1901 zog die Familie Korngold nach Wien und Julius Korngold wurde als Nachfolger von Eduard Hanslick Kritiker der "Neuen Freien Presse".
Der kleine Korngold trug schwer an der Last seines Namens, denn sein Vater war ein gefürchtete Musikkritiker. Gefürchtet, weil er rücksichtslos austeilen konnte. Und so mussten Erich und Julius immer damit rechnen, dass die Kritiker-Pfeile, die der Vater hinaus in die Musikwelt geschickt hatte, eines Tages zurückfliegen würden und den Sohn treffen könnten. Daher ließ Julius viele Werke des Sohnes nicht in Wien uraufführen, sondern in München, Hamburg oder Köln. Und wenn es eine Aufführung in Wien gab, war Julius so aufgeregt, dass er zu Hause bleiben musste.
Vielleicht war es so:
Am Sonntag, dem 24. Oktober 1926 gastierte das Rosé-Quartett im Gebauhrsaal der Stadthalle in Königsberg. Bei seinen ausgedehnten Tourneen machte das Quartett einmal im Jahr Station in Königsberg.
Und eventuell saß an diesem Sonntag im Herbst der Zeichner Emil Stumpp im Publikum und porträtierte das Quartett. Auf dem Bild erkennt man Arnold Rosé, ungewöhnlicherweise rechts sitzend, ihm gegenüber den Cellisten Anton Walter. Friedrich Buxbaum war nicht in Königsberg dabei, er trat einen Tag später mit dem Buxbaum-Quartett in Wien auf.
Verbürgt ist ein Auftritt des Rosé-Quartetts eine Woche später in Innsbruck. Im "Tiroler Anzeiger" steht ein Hinweis auf das Konzert am 30. Oktober 1926.