Vielleicht war es so:
Am Sonntag, dem 24. Oktober 1926 gastierte das Rosé-Quartett im Gebauhrsaal der Stadthalle in Königsberg. Bei seinen ausgedehnten Tourneen machte das Quartett einmal im Jahr Station in Königsberg.
Und eventuell saß an diesem Sonntag im Herbst der Zeichner Emil Stumpp im Publikum und porträtierte das Quartett. Auf dem Bild erkennt man Arnold Rosé, ungewöhnlicherweise rechts sitzend, ihm gegenüber den Cellisten Anton Walter. Friedrich Buxbaum war nicht in Königsberg dabei, er trat einen Tag später mit dem Buxbaum-Quartett in Wien auf.
Verbürgt ist ein Auftritt des Rosé-Quartetts eine Woche später in Innsbruck. Im "Tiroler Anzeiger" steht ein Hinweis auf das Konzert am 30. Oktober 1926.
Dieses Programm haben die Musiker vielleicht auch in Königsberg gespielt. Ohne die Tippfehler allerdings: Beethovens - mit nur zwei 'e' - Quartett op. 59 Nr. 1 ("Rasumowski").
«Aufrecht und furchtlos»
Der Zeichner des Rosé-Porträts, Emil Stumpp, wurde 1886 in Neckarzimmern geboren. Ab 1924 arbeitete er als freischaffender Künstler und Pressezeichner.
Er schuf mehr als 20.000 Porträtzeichnungen von Politikern, Wissenschaftlern, Künstlern, Sportlern.
Während seine Familie in Königsberg lebte, arbeitete Stumpp als Pressezeichner in Berlin und kehrte nur an den Wochenenden nach Königsberg zurück.
1933 erhielt Stumpp Berufsverbot wegen eines Hitlerportäts, das im Dortmunder Generalanzeiger erschienen war und den neuen Machthabern nicht genehm war.
Da ihm damit in Deutschland seine Verdienstmöglichkeiten genommen waren, unternahm Stumpp ausgedehnte Reisen nach Skandinavien, in die Tschechoslowakei, nach Frankreich, die Schweiz, Schottland, England, Spanien und Marokko.
Im Februar 1940 reiste er zurück nach Deutschland, um seine schwer erkrankte Tochter zu besuchen. Bei seiner Ankunft war seine Tochter bereits gestorben. Emil Stumpp saß nun in Deutschland in der Falle, denn eine erneute Ausreise wurde ihm verweigert.
Im Oktober 1940 wurde Stumpp denunziert und verhaftet. Drei Monate später, am 14. Jan. 1941, verurteilte man ihn in einem Prozess wegen Verstoßes gegen das 'Heimtückegesetz' und verbotenen Umgangs mit Kriegsgefangenen zu einem Jahr Gefängnis.
"Das Urteil wurde bis heute nicht revidiert." (Webseite des Stumpp-Archivs)
Im Gefängnis litt Stumpp unter Hunger und Kälte und unter dem Verbot, nicht mehr malen zu können. Am 5. April 1941 starb Emil Stumpp, nachdem er von Königsberg in das 150 km westlich gelegene Gefängnis in Stuhm verlegt worden war.
Der Schriftsteller Ernst Wiechert nannte Emil Stumpp in seinen Erinnerungen: "Aufrecht und furchtlos".
Etwa 20 000 Lithographien von Emil Stumpp, dazu viele Aquarelle und Ölbilder überstanden den Krieg und werden im Emil-Stumpp-Archiv in Gelnhausen und in verschiedenen Sammlungen, Archiven und Bibliotheken aufbewahrt. (MAS)