Der Wiener »k.k. Hof- und Kammerklaviermacher« Ludwig Bösendorfer war eine wichtige Persönlichkeit des Wiener Musik- und Kulturlebens. Ebenso wie Brahms verbrachte er seine Sommerfrische in Ischl.
Der Brahms-Freund und Biograph Max Kalbeck beschreibt Bösendorfer als einen "bürgerlichen altwiener Elegant mit glänzendem schwarzen »Stößer« und erdfarbenem Sakkopaletot, der im eigenhändig gelenkten Viererzuge von Wien nach Ischl kutschierte und Visitkarten für lästige Schwätzer in der Tasche bereit hielt, mit der in Kupfer gestochenen Aufschrift: »L.B. ist zu seiner Erholung in Ischl.«"
1872 hatte Bösendorfer im Wiener Palais Liechtenstein in der Herrengasse einen Konzertsaal eingerichtet, der wegen seiner herausragenden Akustik zu den besten Spielstätten der Stadt zählte.
Als der Bösendorfer-Saal im Jahr 1913 abgerissen werden sollte, waren die Wiener Musikliebhaber zutiefst schockiert.
Immerhin waren in diesem traditionsreichen Saal Komponisten und Musiker wie Anton Rubinstein, Franz Liszt, Eugen d’Albert, Johannes Brahms, Ernst v. Dohnány, Max Reger, Arthur Rubinstein, Béla Bartók, Edvard Grieg, Gustav Mahler und Richard Strauss aufgetreten.
Das Abschiedskonzert bestritt das Rosé-Quartett, das diesem Saal eng verbunden war. Denn seit ihrem ersten Konzert 1883 waren Arnold Rosé und seine Mitspieler meistens im Bösendorfer-Saal aufgetreten.
Der Schriftsteller Stefan Zweig (1881-1942) beschreibt in seiner autobiographischen Erinnerung "Die Welt von Gestern" dieses Konzert in Wien im Jahr 1913. Ein Jahr vor Beginn des 1. Weltkriegs erscheint sein Szenario als ein Sinnbild vom Ende einer Epoche.
"An sich war dieser kleine Konzertsaal, der ausschließlich der Kammermusik vorbehalten war, ein ganz unbedeutendes, unkünstlerisches Bauwerk (…). Aber er hatte die Resonanz einer alten Violine, er war den Liebhabern der Musik geheiligte Stätte, weil Chopin und Brahms, Liszt und Rubinstein darin konzertiert, weil viele der berühmten Quartette hier zum ersten Male erklungen. Und nun sollte er einem neuen Zweckbau weichen; es war unfassbar für uns, die hier unvergessliche Stunden erlebt. Als die letzten Takte Beethovens verklangen, vom Rosé-Quartett herrlicher als jemals gespielt, verließ keiner seinen Platz. Wir lärmten und applaudierten, einige Frauen schluchzten vor Erregung, niemand wollte es wahrhaben, dass es ein Abschied war. Man verlöschte im Saal die Lichter, um uns zu verjagen. Keiner von den vier- oder fünfhundert der Fanatiker wich von seinem Platz. Eine halbe Stunde, eine Stunde blieben wir, als ob wir es erzwingen könnten durch unsere Gegenwart, dass der alte geheiligte Raum gerettet würde."
(© MAS)
Literatur:
Max Kalbeck: Johannes Brahms (1921)
Stefan Zweig: Die Welt von gestern (1942)