E.T.A. Hoffmanns 1821 erschienene Erzählung "Prinzessin Brambilla. Ein Capriccio nach Jakob Callot" ist, wie es gleich im Vorwort heißt, "kein Buch für Leute, die alles gern ernst und wichtig nehmen."
Der Herausgeber bittet die Leser, "doch ja die Basis des Ganzen, nämlich Callots phantastisch karikierte Blätter, nicht aus dem Auge zu verlieren und auch daran zu denken, was der Musiker etwa von einem Capriccio verlangen mag."
Da legt der romantische Dichter und Komponist Hoffmann schon die richtige Spur zu einem multimedial bearbeiteten Motiv, das über den Maler und Graphiker Jacques Callot im frühen 17. Jahrhundert bis zum österreichischen Komponisten Egon Wellesz im frühen 20. Jahrhundert führt.
Ausgangspunkt von E.T.A. Hoffmanns Erzählung ist ein Zyklus von Radierungen, die der französische Maler Callot (1592-1635) in den 1620er Jahren schuf: die "Balli di Sfessania". Der Zyklus stellt Figuren aus dem Karneval dar, die tanzen, kämpfen, musizieren, die mal derb, mal höfisch posieren.
In dieser Atmosphäre, mitten im römischen Karneval, spielt auch Hoffmanns Erzählung. Und ebenso wenig wie man die maskierten Karnevals-Figuren erkennen kann, blickt man in Hoffmanns Text durch, denn es geht drunter und drüber.
Alles beginnt mit dem Schneidermädchen Giacinta und dem Schauspieler Giglio. Ihre Liebesgeschichte wird verknüpft mit phantastischen, märchenhaften Verwicklungen, in denen die mysteriöse äthiopische Prinzessin Brambilla und der ebenso rätselhafte assyrische Prinz Cornelio Chiapperi eine wichtige Rolle spielen. Nur - sind diese Figuren real, sind sie erträumt, und wenn, von wem? Von den Hauptfiguren Giacinta und Giglio, oder vom Erzähler, der sich ständig einmischt? Es ist kein Spiel mit doppeltem Boden, eher ein Gang durch ein Spiegelkabinett, bei dem man an jeder Biegung vielfach gespiegelte Figuren sieht. Sind es Doppelgänger, die man da sieht, ist man das selbst, aber in anderer, in verzerrter Gestalt?
Eines ist sicher:
"Ihr dürft nur daran denken, dass alles, was wir treiben, und was hier getrieben wird, nicht wahr, sondern ein durchaus erlogenes Capriccio ist. Schreiten wir getrost hinein!"
Und das tat der junge Egon Wellesz (1885-1974), der noch in seiner Gymnasialzeit die Drei Capriccios nach Bildern von Callot in E.T.A. Hoffmanns "Prinzessin Brambilla" komponierte. Sie sind das früheste erhaltene Werk von Wellesz. Ebenso wie Hoffmann orientierte sich Wellesz an den der Commedia dell'arte entstammenden Figuren von Callot.
Wellesz erwähnt das frühe Werk in seiner Autobiographie "Egon Wellesz: Leben und Werk" nicht, es war wohl auch nicht geplant, das Werk zu veröffentlichen.
Umso schöner, dass das reizvolle kleine Klaviertrio des jüdischen Komponisten, der 1938 nach England emigrierte, erhalten blieb.
Callot - Hoffmann - Wellesz: in drei Jahrhunderten, in drei verschiedenen Medien drei vielgestaltige, ironische und kunstvolle Regelverstöße, kleine kapriziöse
Capriccios. (© MAS)
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